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Franziskushaus, abandoned former retreat house, conference centre and student campus, Otto Glaus, 1969, Swiss brutalism. Explore more on Heartbrut.com

Franziskushaus

Picture of Words & Photography: Karin Bürki

Text & Bilder: Karin Bürki

Verlassen, vergessen, verschandelt: Kann das Franziskushaus noch gerettet werden?

Ursprünglich als Exerzitienhaus für den Kapuzinerorden konzipiert, befindet sich das Franziskushaus an einem Waldhang bei Dulliken, einem Dorf in der Nähe von Olten. Basierend auf dem Kloster La Tourette von Le Corbusier in Frankreich umfasst die kühne, ineinander verschachtelte Sichtbetonikone aus dem Jahr 1969 über 80 Zimmer, verschiedene Versammlungsräume, eine grosse Küche, ein Auditorium und eine Kapelle. Der Architekt Otto Glaus, ein gelernter Maler und Tapezierer, der mit Le Corbusier in Paris zusammenarbeitete, entwarf auch die Möbel und die Innenausstattung. Das interreligiöse Bildungs- und Begegnungszentrum mit dem asketischen Charme einer brutalistischen preussischen Besserungsanstalt gehört zu den radikalsten Vertretern des Schweizer Sakralbaus der Nachkriegszeit und wurde 2012 unter Denkmalschutz gestellt.

Nach einer gescheiterten Neupositionierung als internationaler Studierendencampus im selben Jahr steht das Franziskushaus leer und fristet ein Dasein als «Lost Space». Im Jahr 2023 wurde die Betonikone durch nicht weniger als drei Brände brutal aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus, tappt aber bei der Frage nach der Täterschaft weitgehend im Dunkeln. Angesichts der zahlreichen eingeschlagenen Fensterscheiben, der grossflächigen Graffiti und des zerstörten Originalmobiliars ist es mehr als fraglich, ob das Franziskushaus jemals wieder zum Leben erweckt werden kann - oder es das überhaupt will.

Le Corbusier fasste die Kernelemente des modernen Klosterbaus einmal so zusammen: «Raum und Licht und Ordnung. Das sind die Dinge, die der Mensch genau so braucht wie Brot oder einen Platz zum Schlafen.» Mit dem Franziskushaus folgt Glaus, ein ehemaliger Schüler, dem Gebot seines Meister aufs Wort. Als glühender Verfechter streng komponierter Konstruktionen, liebte es Glaus geometrisch, abstrakt und vor allem spartanisch. Sein Klosterbau dekliniert die typischen Stilmerkmale von La Tourette durch: Vertikal und horizontal verschachtelte Trakte, Fensterraster und auskragende Betonelemente. Doch während es beim französischen Original auch reichlich Raum für Verspieltes und Exzentrik gab, waren Glaus solche Interessen fremd. Grobkörnig verputzte Wände, Holzvertäfelungen und Klinkerböden setzten die kernige architektonische Rohkost im Innern fort. Einzig die dunkelblauen Teppiche und Radiatoren brechen die Askese auf. Die Inneneinrichtung ist grösstenteils im Originalzustand erhalten. 1985 wurde das Franziskushaus von GAP-Architekten - dem Nachfolgebüro von Otto Glaus - mit einer Aula ergänzt. Den neuen Trakt erkennt man aber von aussen höchstens an den roten Metallfensterrahmen.
Das Franziskushaus blickt diesseits der Jahrtausendwende auf eine bewegte Geschichte zurück: Seit 2001 dient es als interreligiöse Begegnungsstätte und Tagungszentrum. 2012 erhielt das Gebäude einen neuen Besitzer. Dieser erkannte dessen kulturhistorische Bedeutung. Nach einer sanften Renovation wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt und als internationales Wohnheim für Studierende der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten neu positioniert. Dieses Vorhaben ging schief. Seither ist das Franziskushaus sich selbst überlassen. 2016 ersteigerte die Aargauer Kantonalbank die Liegenschaft für 2.53 Millionen Franken aus der Konkursmasse und stiess sie 2019 wieder ab. Der derzeitige Besitzer, ein Unternehmer und Immobilienhändler, schweigt sich über seine Pläne beharrlich aus. Das immer noch vollständig möblierte Gebäude hinterlässt einen leicht unheimlichen Eindruck, als hätten es die Seminarteilnehmende angesichts einer immanenten Katastrophe fluchtartig verlassen. Der menschliche Rückzug hat aber auch sein Gutes: Nun erobert sich die Natur den vergessenen Ort zurück: Flechten, Moose, Efeu und Buschwerk erwecken die verwitterte Betonlandschaft zu neuem Leben.
Franziskushaus, abandoned former retreat house, conference centre and student campus, Otto Glaus, 1969. © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

© Karin Bürki/Heartbrut

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Unteraffoltern II, Georges-Pierre Dubois, Zurich, 1967-1970, Swiss Brutalism, © Karin Bürki/Heartbrut. Explore more on Heartbrut.com
Flamatt II, Atelier 5, Wünnewil-Flamatt, Canton of Fribourg 1961. A Swiss pioneer of brutalist architecture © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com
Roccolo, Seminar Centre, Retreat, Miller & Maranta, Castasegna, Val Bregaglia, 2004, © Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com
Hardbruecke Bridge, Zurich, © Karin Bürki/Heartbrut. Explore more on Heartbrut.com