Franziskushaus, verlassenes Konferenzzentrum Otto Glaus, 1969, Schweizer Brutalismus. Text und Bilder: Karin Bürki. Heartbrut.com

Franziskushaus

Text & Bilder: Karin Bürki

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Weltabgekehrt, verlassen, vergessen – ist das Franziskushaus der perfekte Rückzugsort?

Ursprünglich als Kapuzinerkloster konzipiert, befindet sich das Franziskushaus an einem Waldhang ausserhalb von Dulliken, einem Dorf in der Nähe von Olten. Nach dem Vorbild von Le Corbusiers Kloster La Tourette in Frankreich gebaut, verfügt die Anlage über 80 Zimmer, mehrere Tagungsräume, eine Grossküche, Aula und Kapelle. Der abgeschiedene Rückzugsort versprüht den Charme einer preussischen Reformanstalt im brutalistischen Stil. Das auf Äusserlichkeiten und perfekte Inszenierungen getrimmte 21. Jahrhundert hat dafür nur das Prädikat «schwer vermittelbar» übrig: Nach gescheiterten Reinkarnationen als Tagungszentrum und Studentencampus befindet sich das Franziskushaus seit 2013 in Dauerquarantäne vor dem Lauf der Welt.

Le Corbusier fasste die Kernelemente des modernen Klosterbaus einmal so zusammen: «Raum und Licht und Ordnung. Das sind die Dinge, der Mensch genau so braucht wie Brot oder einen Platz zum Schlafen.» Mit dem Franziskushaus folgt Glaus, ein ehemaliger Schüler, dem Gebot seines Meister aufs Wort. Als glühender Verfechter streng komponierter Konstruktionen, liebte es Glaus geometrisch, abstrakt und vor allem spartanisch. Sein Klosterbau dekliniert die typischen Stilmerkmale von La Tourette durch: Vertikal und horizontal verschachtelte Trakte, Fensterraster und auskragende Betonelemente. Doch während es beim französischen Original auch reichlich Raum für Verspieltes und Exzentrik gab, waren Glaus solche Interessen fremd. Grobkörnig verputzte Wände, Holzvertäfelungen und Klinkerböden setzten die kernige architektonische Rohkost im Innern fort. Farbakzente, wie die roten Metallelemente oder die blauen Teppiche und Türen der Einzelzimmer, kamen später hinzu.
Das Franziskushaus blickt diesseits des Jahrtausendwende auf eine bewegte Geschichte zurück: Seit 2001 dient es als interreligiöse Begegnungsstätte und Tagungszentrum. 2012 wurde es sanft renoviert. Im selben Jahr erhielt das Haus einen neuen Besitzer, der es als internationales Wohnheim für Studierende der Fachhochschule Olten neu positionierte. Das ging schief. 2016 ersteigerte die Aargauer Kantonalbank die Liegenschaft für 2.53 Millionen Franken aus der Konkursmasse und stiess sie 2019 wieder ab. Der derzeitige Besitzer, ein Unternehmer und Immobilienhändler, schweigt sich über seine Pläne aus. Das seit 2013 verlassene Franziskushaus hat in der Schweiz absoluten Seltenheitswert. Der immer noch vollständig möblierte Komplex hinterlässt einen leicht unheimlichen Eindruck, als hätten ihn die Bewohner angesichts einer immanenten Katastrophe fluchtartig verlassen. Der menschliche Rückzug hat aber auch sein Gutes: Nun erobert sich die Natur den vergessenen Ort zurück: Flechten, Moose, Efeu und Buschwerk erwecken die verwitterte Betonlandschaft zu neuem Leben. Wer weiss, vielleicht erweist sich die totale Weltabgeschiedenheit sogar als Standortvorteil.
Franziskushaus, verlassenes Konferenzzentrum Otto Glaus, 1969, Schweizer Brutalismus. Text und Bilder: Karin Bürki. Heartbrut.com

© Karin Bürki/Heartbrut

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