La Tulipe

Picture of Words & Photography: Karin Bürki

Text & Bilder: Karin Bürki

La Tulipe (The Tulip), Centre for Medical Research, Geneva 1975-1976,© Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com
Wann hat dich das letzte Mal ein brutalistisches Laborgebäude völlig umgehauen?

Auf einem Parkplatz zwischen dem Genfer Kinderspital und einem Mikrowald spriessen aus dem massiven fraktalen Betonstamm von La Tulipe schlanke Äste und ein filigranes Bronzegitter, das einen schimmernden Kubus aus pastellfarbenem Glassscheiben in Rosa, Blau und Gelb umrahmt. Sogar der futuristische Aufzugseingang aus eloxierter Bronze strahlt so hell wie das Versprechen des wissenschaftlichen Fortschritts – könnte aber auch als Kulisse für einen Bond-Film durchgehen.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Mein Herz schmolz in der Sommersonne dahin.

Was hat es mir geraubt? Die Art und Weise, wie La Tulipe stolz und ohne sich dafür zu entschuldigen, sowohl ihre harten als auch ihre weichen und pastellfarbenen Seiten zeigt und sich spielerisch den Macho-Vibes widersetzt, die oft mit dem Brutalismus in Verbindung gebracht werden.

Das Gebäude erfüllt eindeutig alle Kriterien des Brutalismus und ist ein Kind seiner Zeit, aber es ist einfach zu eigenständig und umwerfend, um in eine Schublade gesteckt zu werden. Die Kernaussage von La Tulipe ist für mich: Wer über die Normen hinweg tanzt, hat mehr Spass. Und das stimmt: Es ist der bewusste Regelbruch, das Unerwartete, das die Magie ausmacht.

Seitdem habe ich Hunderte von brutalistischen Gebäuden fotografiert und darüber geschrieben. Ich lebe und atme den Brutalismus. Aber La Tulipe ist und bleibt mein Crush Nummer eins.

La Tulipe wird derzeit renoviert. Was leider bedeutet, dass die ikonischen zuckerwattefarbenen Glassscheiben durch bläulich-graue ersetzt werden - so wie es der Architekt ursprünglich vorgesehen hatte.
La Tulipe spiegelt die kosmopolitische Biographie seines Designers Jack Vicajee Bertoli wider. Der in Mumbai geborene Stadtplaner und Architekt begann als Assistent von Grössen wie Marcel Breuer und Eero Saarinen und arbeitete später mit Le Corbusier an der Planung von Chandigarh in Indien. Mit seinem eigenen Büro in Genf hat er Projekte in Indien, Frankreich, Italien, den USA, der Karibik und Afrika realisiert.
La Tulipe (The Tulip), Centre for Medical Research, Geneva 1975-1976,© Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com

© Karin Bürki/HEARTBRUT

© Karin Bürki/Heartbrut

Triemli Tower, Esther + Rudolf Guyer, Swiss brutalism icon, © Karin Bürki/HEARTBRUT. Explore more on Heartbrut.com
Unteraffoltern II, Georges-Pierre Dubois, Zurich, 1967-1970, Swiss Brutalism, © Karin Bürki/Heartbrut. Explore more on Heartbrut.com
Pyramide am See, Justus Dahinden, Zurich, Swiss brutalism icon, © Karin Bürki/HEARTBRUT. Explore more on Heartbrut.com
Buendner Kunstmuseum Chur, Grisons Museum of Fine Arts Extension, Barozzi Veiga, Swiss neo brutalism, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com