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Weltabgekehrt, verlassen, vergessen – ist das Franziskushaus der perfekte postpandemische Rückzugsort?

Ursprünglich als Kapuzinerkloster konzipiert, befindet sich das Franziskushaus an einem Waldhang ausserhalb von Dulliken, einem Dorf in der Nähe von Olten. Die an Le Corbusiers Kloster La Tourette in Frankreich angelehnte Anlage verfügt über 80 Zimmer, mehrere Konferenzräume, eine Grossküche, Aula und Kapelle. Der abgeschiedene Rückzugsort versprüht den Charme einer preussischen Reformanstalt in brutalistischer Ausprägung. Dafür hat das auf Äusserlichkeiten und perfekte Inszenierungen getrimmte 21. Jahrhundert nur das Prädikat «schwer vermittelbar» übrig: Nach gescheiterten Reinkarnationen als Konferenzzentrum und Studenten-Campus befindet sich das Franziskushaus seit 2013 in Dauer-Quarantäne vor dem Lauf der Welt. Doch in Zeiten von Social-Distancing könnte der weltabgekehrte Ort zu neuem Leben erwachen.

Le Corbusier fasste die Kernelemente des modernen Klosterdesigns einst folgendermassen zusammen: «Raum und Licht und Ordnung. Das sind die Dinge, die die Menschen genau so brauchen wie Brot oder einen Platz zum Schlafen.» Mit dem Franziskushaus folgt Glaus, ein früherer Schüler, dem Gebot seines Meister aufs Wort. Ein eifriger Verfechter streng komponierter und Modulor-kontrollierter Konstruktionen, liebte es Glaus geometrisch, abstrakt und vor allem spartanisch. Der Klosterbau dekliniert das typische Stilrepertoire durch: Vertikal und horizontal ineinandergreifenden Trakte, Fenster-Raster und auskragenden Beton-Elemente. Während es bei La Tourette aber auch jede Menge Raum für spielerische Elemente und Exzentrik gab, waren Glaus derlei Interessen fremd. Grobkörnig verputzte Wände, Holztäfer und Klinkerböden setzen die kernige architektonische Rohkost im Innenbereich fort. Farb-Akzente, wie die roten Metallelemente oder blauen Teppiche und Türen der Einzelzimmer, kamen später hinzu.

Das Franziskushaus erlebt diesseits des Jahrtausends eine bewegte Geschichte: Seit 2001 als interreligiöser Begegnungsort und Konferenz-Zentrum dienend, wurde die Stätte 2012 sorgfältig restauriert. Im selben Jahr erhielt das Haus einen neuen Besitzer, der es als internationales Wohnheim für Studierende der Fachhochschule Olten neu positionierte. Das ging schief. 2016 ersteigerte die Aargauer Kantonalbank die Liegenschaft für 2.53 Millionen Franken aus der Konkursmasse und stiess sie 2019 wieder ab. Der derzeitige Besitzer, ein Unternehmer und Immobilienhändler, lässt zu seinen Plänen noch nichts verlauten.

Seit 2013 verlassen, präsentiert die Betonanstalt eine Szenerie, die in der perfektionsverliebten Schweiz absoluten Seltenheitswert hat. Der immer noch intakt möblierte Komplex hinterlässt einen latent unheimlichen Eindruck, als hätten ihn die Bewohner angesichts einer immanenten Katastrophe fluchtartig verlassen. Der menschliche Rückzug hat aber auch Vorteile: Nun erobert sich die Natur den vergessenen Ort zurück: Flechten, Moos, Efeu und Buschwerk erwecken die verwitterte Betonlandschaft zu neuem Leben. Wer weiss, in Zeiten des grossen pandemischen Um-und Aufbruchs könnte sich die totale Weltabgekehrtheit gar als Standortvorteil erweisen.

© Karin Bürki/Heartbrut

© Karin Bürki/Heartbrut

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