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Meter Magazin / Ideales Heim

Interview zur Carte Brute Zürich & Basel. Wiederveröffentlicht in 20 Minuten

Die 20 imposantesten Betonbauten in Zürich

Rohe Betonbauten polarisieren: Für manche sind sie hässlich und verschandeln das Stadtbild, für andere ist es eine grosse Liebe und ein wichtiger Zeitzeuge der Architekturgeschichte. Die Plattform Heartbrut zelebriert kühne Brutalismus-Ikonen der Nachkriegszeit und wirft einen frischen Blick auf die reiche Sichtbeton-Tradition der Schweiz. Mit der neuen Faltkarte «Carte Brute» lassen sich 40 Betonbauten aus dem ganzen Kanton Zürich von 1898 bis heute entdecken. Autorin und Fotografin Karin Bürki hat «Heartbrut» 2019 ins Leben gerufen, im Interview erklärt sie ihre Faszination für Betonbauten und wieso gerade Zürich so ein grosses Erbe besitzt.

Fällt der Begriff Beton denken viele an graue Wohnklötze – Sie beweisen mit «Carte Brute», das Beton erfrischend vielfältig und imposant sein kann. Was fasziniert Sie persönlich an den Betonbauten?

Karin Bürki: Vor allem die Tatsache, dass das Charakterbauten mit Ecken und Kanten sind. Béton Brut und Brutalismus entstand nach 1945 aus der Not heraus, in einer Zeit, als sich alles im Auf- und Umbruch befand, auch die Architektur. Schöne Oberflächen waren da passé. Gleichzeitig sind die Bauten mit ihren einfachen Geometrien und skulpturalen Formsprache sehr, sehr fotogen. Ihr Revival verdanken sie paradoxerweise mitunter auch ihrer grossen Beliebtheit auf Instagram.

Welches ist für Sie das faszinierendste Objekt aus der Sammlung und wieso?

KB: Der filigran geschwungene Eingangsbereich der Aula Rämibühl. Seine Leichtigkeit und organische Form liefert den Beweis, dass Beton auch sehr sinnlich und poetisch sein kann. Ich kann mich daran einfach nicht sattsehen.

Wenn man einen Tag in Zürich ist, welche Bauten soll man sich genauer ansehen und warum?

KB: Das Landesmuseum, weil der Sichtbeton in der Säulenhalle seinen ersten grossen Auftritt hatte und der Erweiterungsbau von Christ & Gantenbein gleich um die Ecke ist. Die vier markanten Hardau-Türme geniessen in Zürich Kultcharakter. Als krönender Abschluss darf eine kleine Pilgerfahrt zum Triemli-Turm nicht fehlen: Das sind 43 Meter harte, brutalistische Rohkost am Fuss des Uetlibergs. Dafür wird man mit einem fantastischen Panoramablick über die Stadt, inklusive den besten Zürcher Betonikonen, belohnt.

In der Sammlung sind Klassiker aber auch neuere Bauten wie etwa das Tanzhaus an der Limmat – nach welchen Kriterien suchen Sie die Gebäude aus?

KB: Grob gesagt, suche ich nach wegweisenden Hinguckern, die auch für die heutige Zeit relevant sind. Meine Kamera hat aber auch immer ein Wörtchen mitzureden. Einer ihrer absoluten Lieblinge ist die Betonschleife, eine Skulptur im Pausenhof der Schule Grünau, die an überdimensioniert gewölbte Kaugummistreifen erinnert. Sie steht zwar nicht zuvorderst in den klassischen Architekturführern, knallt aber sowohl auf Instagram als auch als Postkarte.

In dieser Edition haben Sie sich auch auf diverse Kunst am Bau-Trouvaillen fokussiert, wie haben Sie diese entdeckt?

KB: Mir fiel auf, dass viele öffentliche Bauten der Nachkriegszeit mit Betonkunst ausgestattet sind und wollte mehr darüber herausfinden. In der Nachkriegszeit fand gerade in Zürich ein reger Austausch zwischen der Kunst- und Architekturszene statt. Das wollte ich speziell würdigen. Manchmal hatte aber auch Kommissar Zufall seine Hand im Spiel. Vom eindrücklichen Wandrelief am Kaufhaus Regina in Dietikon erfuhr ich dank dem Hinweis eines Lesers.

Wieso findet man gerade in Zürich so viele imposante Betonbauten?

KB: Als Wirtschaftsmotor der Schweiz hatte Zürich in der Hochkonjunktur gewaltigen Bedarf an neuem Wohnraum, Schulen und Infrastrukturbauten. Die Sechzigerjahre waren gleichzeitig das Goldene Zeitalter der Betonmoderne. Mit der ETH hatte man praktischerweise auch gleich eine der weltweit führenden Architektenschmieden vor Ort. Man baute damals mit einer gewissen zukunftsoptimistischer Kühnheit. Sogar die einst verpönten Hochhäuser wurden plötzlich salonfähig.

Welche Stadt oder Metropole hat ebenfalls ein interessantes Beton-Erbe?

KB: Da wäre London als Geburtsstadt des Brutalismus an erster Stelle zu nennen. Eines der markantesten und polarisierendsten Werke, das Barbican Centre, feiert dieses Jahr gerade den 40. Geburtstag. Die Schweiz kann übrigens auch etwas mitfeiern: Ein Teil des Architektenbüros Powell Chamberlin and Bon war Christoph Bon. Er stammte aus St.Gallen und studierte an der ETH in Zürich.

Einige der Objekte sind mit sogenanntem Recycling-Beton gebaut – können Sie genaueres zum Baumaterial sagen?

KB: Recyclingbeton besteht aus Granulatmischungen, die durch den Abbruch alter Bauten gewonnen werden. Die Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten entsprechen grösstenteils denjenigen des klassischen Betons. Wird nach dem Nachhaltigkeitsstandard Minergie-Eco gebaut, darf die Distanz zwischen Recyclingbetonwerk und Baustelle maximal 25 km betragen.

Im April kommt die Carte Brute Edition Basel raus – was können Sie uns dazu bereits verraten?

KB: Freuen Sie sich auf vierzig Ikonen aus dem Schweizer Architektur-und Kulturhotspot. Drei Highlights: die erste Betonkirche der Schweiz, das schönste Betonorigami der Welt und eines der letzten erhaltenen Werke des dänischen Designers Verner Panton.

Für viele Architekturbüros wie Herzog de Meuron, Buchner Bründler oder pool Architekten ist Beton in ihrer Arbeit zentral – erlebt Beton am Bau gerade ein Revival?

KB: Ich würde eher sagen: Die ewige Liebe der Schweizer Architektur zum Beton ist unkaputtbar! Allerdings wünsche ich mir, dass auch hier das Bewusstsein für einen umweltbewussteren Umgang Einzug hält und klimaschonende Innovationen wie C02-reduzierter Beton, Recyclinglösungen oder auch das Zusammenspiel mit Naturmaterialen zur Norm werden. Gerade für Beton gilt: Geh mit der Zeit oder geh mit der Zeit.