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Was wäre wenn die Mayas eine Raumstation auf dem Mars gebaut und von dort einen pyramidenförmigen Monolithen punktgenau in Gehdistanz zum Pavillon Le Corbusier und dem Zürichsee im noblen Seefeld-Quartier abgeworfen hätten?

Man könnte es durchaus mit einem einer fernen Gottheit geweihten futuristischen Tempel verwechseln. Aber das ausserirdisch anmutende Ferrohaus ist im Grunde nichts anderes als die zur Tugend gemachte Not. Und das kam so: Das vom schwedischen Metallkonzern «Ferrolegeringar AG» in Auftrag gegebene Geschäftshaus musste sich an stringente Bauvorschriften halten, die da stipulierten, dass die oberen Stockwerke zurückversetzt gebaut sein müssten. Der Architekt Justus Dahinden entwickelte daraus die Idee mit der ikonischen Pyramidenform. Die Verkleidung mit Cor-Ten-Stahl ist eine Referenz an das Tätigkeitsfeld des Kunden. Und was hat das Ferrohaus mit Brutalismus zu tun? Im Prinzip herzlich wenig. Aber angenommen, es wäre aus Beton - es würde sämtliche Kriterien erfüllen. Daher erklären wir es zum brutalistischen Bruder im Geiste. 

Die für die Pyramide charakteristische Patina aus sattem, bräunlichem Rot ist das Ergebnis der schnellen Oxidation von Cor-Ten-Stahl. In den siebziger Jahren war die «Rostästhetik» in der Unternehmensarchitektur ein häufiger Anblick. Einer der grössten Fans des Materials war übrigens der Künstler Richard Serra, der den Rosteffekt für seine grossflächige Land-Art einsetzte und das Material weltweit bekannt machte. Für seine Zürcher Ikone fügte Justus Dahinden noch zusätzlich kupferfarbene Schutzglasfenster hinzu, welche für den charakteristischen Ton-in-Ton-Effekt sorgen. Ursprünglich diente die Pyramide am See als Geschäftshaus, wobei zwei luxuriöse Maisonette-Wohnungen die oberste Etage besetzten. Die Monatsmiete für eine der Fünf-Zimmer-Wohnungen mit Seeblick betrug 3000 Schweizer Franken (heute rund 9000 CHF). Die Pyramide, die 1993 als Privatklinik wiedereröffnet wurde, ist bis heute einer der markantesten Bauten Zürichs. Am 6. Oktober 2021 wurde das Gebäude von der Stadt Zürich offiziell unter Denkmalschutz gestellt.

Justus Dahinden war nie die erste Wahl, wenn es darum ging, ein funktionales Gebäude zu entwerfen. Der «urbanotopische» Architekt interessierte sich nicht für die restriktiven Dogmen der Nachkriegsmoderne. Als gläubiger Mensch und bekennender Anhänger von «Funktion folgt Form» betrachtete es Dahinden als seine Mission, die Architektur mit dem spirituellen und sozialen Wesen der Menschen wieder in Einklang zu bringen. Seine Entwürfe suchen die ideale Balance zwischen radikalem Design und ausgewogener Methodik. Die Frühwerke des ETH-Absolventen orientierten sich noch stark an Frank Lloyd Wright, Antonio Gaudi sowie Sakralbauten. In den 60ern war Dahinden einer der ersten hiesigen Architekten, der die gerade aufkommenden avantgardistischen Theorien und Arbeiten von Archigram und den japanischen Metabolisten absorbierte und verbreitete. Zu seinen bekanntesten Objekten zählen das Zelthaus auf der Rigi, das Einkaufs- und Freizeitzentrum Schwabylon in München und das Trigon-Dorf in Zürich Hottingen. Justus Dahinden verschied im Frühling 2020.

© Karin Bürki/Heartbrut

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