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Mit Tobleronen gegen Panzer

Achtung, Sie betreten eine der faszinierendsten Ecken des Schweizer Reduit-Erbes: Die Promenthouse-Befestigungslinie. Sie besteht aus rund 3000 Betonblöcken, die der Panzersicherung dienen. Ihre Form scheint direkt vom berühmten Schweizer Honigschokolade inspiriert zu sein - daher der Spitzname. Die Befestigungslinie wurde im Zweiten Weltkrieg errichtet, um eine deutsche Panzerinvasion von Frankreich aus zu verhindern. Sie erstreckt sich vom Dorf Bassins in den Juraausläufern bis zum Genfersee. Die Tobleronen folgen der natürlichen Barriere des Promenthouse-Sérine-Tals entlang dreier Flüsse und erreichen nach gut 18 km die mittelalterliche Seestadt Nyon. Der Tobleronenweg ist eine faszinierende Reise in die leicht unheimlich anmutende Welt der Kriegsschweiz. Aber keine Angst: Sie ist heute gänzlich von friedliebender Waldnatur erobert.

Die Panzersperren wurden von Soldaten und zahlreichen arbeitslosen Arbeitern an Ort und Stelle errichtet. Ausrangierte Schienen dienten als behelfsmässiges Transportmittel für den Zement. Zahlreiche patriotisch gesinnte Einheimische stellten Teile ihres Landes kostenlos für die Landesverteidigung zur Verfügung.

Die erste Serie der Tobleronen ist klein und pyramidenförmig. Das Standardhindernis ist etwa 2 Meter hoch und wiegt zwischen neun und 14 Tonnen. Ursprünglich reichten die Drachenzähne 50 Meter in den Genfer See hinein, um einen amphibischen Angriff abzuwehren.

Die Befestigungslinie umfasst auch zwölf Bunker entlang ihrer Route. Sie sind zwar verwittert, aber in Anbetracht ihres Alters und der Umwelteinflüsse in einem bemerkenswert guten Zustand. Der spektakulärste Bunker ist die Villa Rose bei Gland. Das scheinbar herrschaftliche Haus in zarten Rosatönen war in Tat und Wahrheit eine bis an die Zähne mit panzerzerstörenden Waffen vollgestopft Schiessanlage. Ihr wahrer Zweck wurde bis in die 1990er Jahre unter Verschluss gehalten. Heute ist die Villa ein Museum und ist in ihren ursprünglichen Zustand aus der Kriegszeit zurückversetzt.

Die leicht surrealistisch anmutende Welt der Kriegs-Tobleronen und die zahlreichen Festungen entlang der Strecke sind jedoch nicht die einzigen Attraktionen. Die zu einem Lehrpfad umgestaltete Verteidigungslinie schlängelt sich durch verwunschene Wälder, gurgelnde Flüsse und Winzerdörfer und bietet atemberaubende Ausblicke auf den nicht minder erhabenen Genfer See. Die von feindlichen Truppen gänzlich unversehrten Panzersperren sind während rund neun Jahrzehnten Frieden still und leise von der Natur erobert worden. Sie sind mit Moos, Efeu und Brombeeren bewachsen und bieten einen idealen Lebensraum für Insekten und andere Kleintiere. Trotz ihrer immer noch leicht unheimlichen Präsenz haben sich die Tobleronen perfekt in die Schluchten, Wälder und die sanft geschwungenen Felder und Weinberge eingefügt und prägen diesen idyllischen Abschnitt der Côte-Region.

© Karin Bürki/Heartbrut

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