Für die einen ist Beton ein sinnliches Material – für die anderen nur kalt und zerstörerisch. Woher kommt diese Hassliebe?
Die Fotografin und Autorin Karin Bürki steht begeistert vor dem Triemli-Turm am Fusse des Uetlibergs in Zürich. «Das ist einer der radikalsten Brutalismus-Bauten der Schweiz», sagt sie. «Wie aus einem Science Fiction-Film.»
Bürkis Faszination teilen andere Architektur- und Designinteressierte. Der breiten Masse ist das graue Wohnhochhaus aus den 1960er-Jahren ein Dorn im Auge. 2018 hat es die Leserschaft der Gratiszeitung «20 Minuten» sogar zum «hässlichsten Haus der Schweiz» gekürt.
Sie will Ihre Begeisterung weitertragen und hat deshalb das Format «Heartbrut» gegründet. Auf einer Webseite und in ihrem Instagram-Account setzt sie die Beton-Schönheiten in Text und Bild in Szene.
Dafür reist sie quer durch die Schweiz und liefert auch Inspiration zum Anfassen: Zwei Faltkarten, die «Cartes Brutes» mit jeweils Dutzenden Betonikonen aus der Schweiz zum Selberentdecken.
Darunter sind viele Gebäude aus den 1950er- bis 1970er-Jahren: Schulen, Kirchen, Wohnanlagen, Bürogebäude und Kulturhäuser. Alles raffinierte Meisterwerke im Geiste von Le Corbusier. Der Schweizer Architekt hat den Begriff «béton brut» – Sichtbeton – Ende der 1940er-Jahre geprägt und damit den Architekturstil des Brutalismus begründet...
Auch wenn an Lösungen geforscht wird: Beton in seiner heutigen Form bleibt der meistverbrauchte Baustoff in der Schweiz. So schnell werden wir ihn nicht los. Ihn einfach abzulehnen, ist wohl zu kurz gedacht. Beton ist nicht schwarz oder weiss, sondern grau. Wie vielfältig dieses Grau sein kann, zeigen Karin Bürkis Bilder.