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Oberer Letten, Dynamo, Swissmill Tower, Zurich, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

Landesmuseum - Swissmill-Turm

Eine entspannte Stadtsafari von Zürichs Betonpionier aus dem 19. Jahrhundert entlang dem Platzspitzpark und Lettenkanal.
Karin Bürki

Karin Bürki

Text & Bilder: Karin Bürki

Du liebst markante Architektur, üppige Stadtnatur und willst Zürichs legendär entspannte Flussbad-Szene erkunden? Dann ist dieser kurze, aber unglaublich dichte und abwechslungsreiche Stadtspaziergang vom Landesmuseum zum Swissmill Tower entlang des Platzspitzparks und der Limmat genau das Richtige für dich. Er führt vom Zürcher Betonpionier aus dem 19. Jahrhundert zu zeitgenössischen Architekturikonen, nimmt dich zum Lieblingsort von James Joyce und taucht in den Lettenkanal ein, wo Zürich total Zen ist.

  1. Landesmuseum
Landesmuseum, Swiss National Museum, Platzspitz © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

© Karin Bürki/Heartbrut

Wolltest du schon immer einmal das Zürcher Betonerbe von seinen Anfängen bis in die Gegenwart in einer einzigen Location erkunden? Dann besuche das Landesmuseum gleich hinter dem Hauptbahnhof. Es besteht aus dem schlossartigen Hauptgebäude aus dem Jahr 1898 und einem skulpturalen Erweiterungsbau aus Beton von 2016. Zugegeben, beim Anblick des historistischen Baus von Gustav Gull denkt niemand an einen Sichtbetonpionier. Tatsächlich aber kam hier das damals neuartige Baumaterial zu seinem ersten grossen Auftritt im Kanton Zürich – genauer gesagt in der Gewölbedecke der Säulenhalle, die heute die Dauerausstellung «Geschichte der Schweiz» beherbergt. Da sich damals nackiger Beton jedoch nicht ziemte, wurde er kurzerhand zugepflastert. Erst 111 Jahre später wurde die Betondecke anlässlich der grossen Landesmuseum-Sanierung im Jahr 2009 wieder freigelegt - wenn auch als erdbebensichere Replika.

Landesmuseum, Swiss National Museum Zurich, Säulenhalle, Concrete Heritage, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

 © Karin Bürki/Heartbrut

Landesmuseum, Swiss National Museum, Extension, Zurich, Platzspitz. © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Der Erweiterungsbau von Christ & Gantenbein aus dem Jahr 2016 präsentiert sich als kieselsteinfarbene, stadtkliffartige Betonskulptur. Die massiven trapezförmigen Elemente umranken das Schloss und schlängeln sich entlang dem neuen Innenhof, dem Platzspitzpark und der Limmat. Den spektakulärsten Ausblick liefert der monumentale Treppenaufgang im dramatisch aufragenden «Brückenteil». Die vielen Bullaugen eröffnen aufregend neue Blicke auf Altbau, Hof, Park und Fluss.

2. Platzspitzpark

Platzspitz Park, Limmat, Zurich © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Als Zürcherin habe ich der Baumlandschaft der Stadt nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Bis zum Lockdown, als meine morgendlichen Spaziergänge zum Platzspitzpark zu einem festen (Überlebungs-)Ritual wurden. Ich setzte mich auf einen Steg, lauschte dem sanften Fluss der Limmat und erfreute mich an der Schönheit der über 250-jährigen Ahornblättrigen Platanen, deren riesige Äste bis ins Wasser reichen. Ich freundete mich mit den Schwänen und Enten an und vergass für eine halbe Stunde oder so die Welt um mich herum. Seit diesen Zen-Momenten weiss ich die beruhigende und belebende Kraft des Platzspitzs und seiner Alleen voll zu schätzen.

Platzspitz Park, Limmat, Zurich © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Die beliebte Stadtoase hinter dem Landesmuseum bildet eine markante Dreiecksform und wird von der Limmat und der Sihl flankiert. Die Ursprünge des Parks gehen auf das 15. Jahrhundert zurück. Die ersten Alleen wurden bereits im späten 17. Jahrhundert angelegt. Im 19. Jahrhundert kamen ein kunstvolles Wegnetz und ein Pavillon dazu, was wesentlich zur Popularität des Parks beitrug. Ende der 1980er Jahre sorgte der Platzspitz als «Needle Park» international für Negativschlagzeilen, als er zum Hotspot der internationalen Drogenszene avancierte. 1992 wurde er geräumt und mit neuen Bäumen bepflanzt. Heute, gut 30 Jahre später, entfalten sie sich in voller Pracht.

3. Der Platzspitz: James Joyce und Amazonas-Momente

Platzspitz, James Joyce, Swissmill Tower © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Drahtschmiedli-Steg, Lettenwehr, Swissmill Tower, Zurich. © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Spaziere dem Fluss entlang bis zum Platzspitz am anderen Ende des Parks, wo die Sihl in die Limmat mündet und am Horizont der Swissmill Tower auftaucht - dein Ziel. Die beiden Flüsse sind leicht zu unterscheiden. Links fliesst wild und bockig die schlammbraune Sihl, rechts die smaragdgrüne, wohlerzogene Limmat. Das ungleiche Paar liefert sich einen zuweilen erbitterten Kampf ums Territorium. Dabei schwellen die beiden Stadtflüsse zum wilden Strom an, bevor sie sie sich schliesslich einige hundert Meter flussabwärts zusammenraufen. Zürich fühlt sich hier wie eine Stadt am Amazonas an. James Joyce zog es während seines Zürcher Exils regelmässig hierher. Die Szenerie erinnerte den irischen Autor an seine Heimat und das Gedicht «The Meeting of the Rivers» des Dichters Thomas Moore und floss gar in sein Hauptwerk Finegan's Wake ein: "Yssel that the limmat?" und "legging a jig or so on the sihl" – die Zitate sind auf einer Gedenkplatte auf der Platzspitzmauer eingraviert.

4. Lettenkanal und Flussbad Oberer Letten

Oberer Letten, Elsa Burckhard-Blum, Swissmill Tower, Zurich. © Karin Bürki. Heartbrut.com

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Weiter geht’s auf dem Drahtschmiedli-Steg über die Limmat entlang des Platzspitzwehrs. Rechts grüsst der kommerzielle Brutalismus der 1970er Jahre mit dem kastigen Marriot Hotel, links rufen sich die bewegten 1980er Jahre mit dem Jugendkulturzentrum Dynamo in Erinnerung. An schwülheissen Sommerabenden tummeln sich am schmalen Streifen zwischen Restaurant und Fluss Schwimmerinnen, lokale Hipster, Expats, Touristen und alles dazwischen dicht an dicht. Willkommen am Lettenkanal, der entspanntesten Freizeitzone der Stadt und Epizentrum der einzigartigen Zürcher Badi-Kultur.

Marriot Hotel, Zurich, Letten Brutalism. © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com
Oberer Letten, Dynamo, Swissmill Tower, Zurich, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com
Lettenkanal, Dynamo, Oberer Letten, Swissmill Tower, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Der 700 Meter lange Oberwasserkanal wurde ursprünglich für den Betrieb des 1878 eröffneten Kraftwerk Letten, dem ersten der Stadt, erstellt. 1896 kam ein Kastenbad hinzu. Mit dem Bau des Platzspitzwehrs 1951 wurde es 1952 durch den nüchternen, aber eleganten Betonbau von Elsa Burckhardt-Blum ersetzt. Konzipiert für den Mittagsschwumm der werktätigen Bevölkerung im Quartier, ist die Badi kostenlos, verwandelt sich nachts in eine Bar und ist entsprechend beliebt. In den Achtzigern wurde die am gegenüberliegenden Ufer verlaufende Bahnstrecke stillgelegt und das Gebiet lag jahrelang leer und wurde von der offenen Drogenszene okkupiert.

Lettenkanal, Oberer Letten, Wild Garden, Graffiti Wall, Zurich. © Karin Bürki. Heartbrut.com

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Oberer Letten, Lettensteg, Elsa Burckhard-Blum, Zurich. © Karin Bürki. Heartbrut.com

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Nachdem das Gelände 1995 geräumt wurde, wandelte es die Stadt in ein urbane Sport- und Erholungszone um. Zu den Attraktionen gehören Beachvolleyballplätze, eine Liegewiese, ein Skaterpark, eine offene Graffitiwand, ein wilder Garten und Bars. Der Letten ist ein einzigartiger urbaner Schmelztiegel, in dem Hipster mit ihren Hunden, Läuferinnen, Sonnenhungrige, Schwimmer, Rentner, Skater und eine grosse Wasservogelpopulation glücklich koexistieren. So geht Zen auf Zürcher Art.

Bevor es weiter zum Unteren Letten geht, hier noch eine kleine Zugabe für Architekturfans: Ein paar Schritte nach dem Dynamo tauchen rechts die «Rotach Häuser» auf. Das aus drei Wohneinheiten bestehende Reihenhaus wurde 1928 von Max Ernst Haefeli entworfen und gehört zu den bekanntesten und bemerkenswertesten Beispielen der frühen Zürcher Moderne. Es ist stark am Neuen Bauen angelehnt, eine avantgardistische Architekturrichtung, die in den 1920er und 1930er Jahren in Deutschland aufkam.

Rotach Häuser, Oberer Letten, Zurich, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Lettenkanal, Oberer Letten, TBZ-Turm, Zurich. © Karin Bürki. Heartbrut.com

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Auf der gegenüberliegenden Kanalseite sticht der rote Holzturm auf der Dachterrasse der Technischen Berufsschule Zürich ins Auge. Es handelt sich dabei um ein Kunstprojekt von Daniel Roth aus dem Jahr 2003 und basiert auf einem Entwurf von Wladimir Suchow von 1899. Der enigmatische Aussichtsturm wird nachts leicht beleuchtet und so auch zum Leuchtturm.

4. Unterer Letten

Unterer Letten, Swissmill Tower, Limmat, Zurich. © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Beim Lettensteg erst nach rechts abbiegen und unmittelbar danach nach links, immer dem offiziellen, breiten Wander-und Veloweg folgend. Moment, ist das tatsächlich ein Bahnhofshäuschen, dass da rechts auftaucht? Korrekt! Der 1893 erbaute «Bahnhof Zürich Letten» war bis zu seiner Stilllegung im Jahr 1988 Teil des S-Bahn-Netzes. Heute beherbergt das denkmalgeschützte Gebäude die Redaktion des Reisemagazins «Transhelvetica». Am Ende der historischen Gebäude des Kraftwerk Letten teilt sich der Weg. Nimm die Route nach unten. Vorher aber lohnt sich ein kleiner Abstecher auf den Viaduktbogen. Der Abschnitt über der Limmat bietet eine grossartige Rundumsicht auf eine urbane Flusslandschaft, wo industrielle Vergangenheit, üppig wachsendes Grün der Gegenwart und das Flussbad Unterer Letten fotoperfekt ineinanderfliessen. 

Das 1909 erstellte Kastenbad wurde 1951 - wiederum von Elsa Burckhardt-Blum - sanft modernisiert und um einen familienfreundlichen «Festlandteil» erweitert. Im Gegensatz zum Oberen Letten ist hier die Limmat nämlich um einiges rauer. Ein Schwumm kann für Anfänger durchaus zur Mutprobe werden. Dazu nur so viel: Am Ende wartet der berüchtigte Ausstieg am Rechen. Hier ist eindeutig im Vorteil, wer ihn mit den Füssen voran in Angriff nimmt.

Lettensteg, Limmatkanal, Limmat, Zurich. © Karin Bürki. Heartbrut.com
Bahnhof Letten, Unterer Letten, Zurich, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com
Café Nude, Tanzhaus, Unterer Letten, Swissmill Tower, Zurich. © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

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Weiter geht’s zurück zum Weg, der zum Fluss hinunterführt. Nachdem du einen kleinen Tunnel passiert hast, erreichst du das Tanzhaus. Das skulpturale neue Wahrzeichen mit den charakteristischen trapezförmigen Fenstern wurde vom renommierten Studio Barozzi/Veiga aus Barcelona entworfen. Das Recyclingbeton-Gebäude beherbergt eine Tanzakademie und ein Café mit dem treffenden Namen Nude. Da das Flussbad nur ein paar Schritte entfernt ist, stellt sich unweigerlich die Frage, was zuerst kommt: Kaffee oder Schwimmen? 

5. Swissmill Tower

Swissmill Tower © Karin Bürki / Heartbrut.com

Swissmill Tower & view from the top floor

Zurich and Lake Zurich, seen from Swissmill Tower, spring 2018 © Karin Bürki / HEARTBRUT

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118 Meter, 21 Stockwerke, Sichtbeton und ein Weltrekord: Der Swissmill Tower ist das höchste Getreidesilo der Welt. Der puristische Bau aus dem Jahr 2016 hob die Industriearchitektur in Zürich-West in neue, luftige Höhen. Vielleicht fragst du dich, was ein Siloturm mitten in der Zürcher Ausgehmeile soll. Grössenwahn war jedenfalls nicht der Antrieb; schliesslich ergänzt der Tower lediglich die zu klein gewordene historische Stadtmühle. Tatsächlich standen Nachhaltigkeits-und Logistikgüberlegungen im Vordergrund: Der Getreidetransport erfolgt zu 100% per Bahn. Vier Mal pro Tag verlässt ein vollgeladener Zug das Silo. Die Südseite des Turms dient als vertikale Solaranlage. Und hier purzelt der nächste Rekord: Die sechs Panels bilden die höchste Solarfassade Europas. Sogar der berüchtigte Schattenwurf, wegen dem es zu einer Volksabstimmung kam, erweist sich in den inzwischen regelmässig stattfindenden Hitzesommern als Vorteil. Heute hat sich der Swissmill Tower als neues Wahrzeichen von Zürich West etabliert.

Überquere die Brücke und passiere den Turm. Mit etwas Glück wird auf der gegenüberliegenden Strassenseite gerade ein Getreidezug beladen. Geh geradeaus bis zur Limmatstrasse. Nimm das Tram zurück zum Hauptbahnhof oder lege einen Boxenstopp in der Markthalle ein und erkunde die Geschäfte entlang der Viaduktbögen. Beides befinden sich nur ein paar Schritte links von der Tramhaltestelle Dammweg.

Markthalle, Viaduktbögen, Zurich, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com

© Karin Bürki/Heartbrut

Ganzjährig

Der Weg beginnt beim Schweizerischen Landesmuseum Zürich, an der Museumsstrasse 2. Nächstgelegene ÖV-Haltestellen: Hauptbahnhof Zürich (Zug), Sihlquai/Hauptbahnhof (Tram)

Kombiniere den Walk mit einem Schwumm in einem der Flussbäder. Oder mach es wie die Einheimischen: Schnapp dir einen Schwimmsack und lass dich vom Dynamo zum Oberen Letten treiben. Dieser Weg ist auch bei Läufern und Hundebesitzern sehr beliebt.

Im Sommer gibt es entlang der Strecke zahlreiche Food Trucks, temporäre Restaurants und Bars. Auch die Flussbäder bieten Verpflegungsmöglichkeiten an (Mitte Mai bis Mitte September). Der Park und der Fluss sind ideal für ein Picknick. Über die Sommermonate hinaus kannst du im Landesmuseum, Dynamo, Café Nude oder in der Markhalle im Viadukt die Batterien aufladen. 

Landesmuseum - Swissmill Tower, Route, © Swisstopo, Explore more on Heartbrut.com

© Swisstopo