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Swissmill Tower, Haarder Haas Partner, Zurich, 2013-2016, Swiss Brutalism, © Karin Bürki/Heartbrut. Explore more on Heartbrut.com

Swissmill Tower

Picture of Words & Photography: Karin Bürki

Text & Bilder: Karin Bürki

118 Meter roher Beton, 21 Stockwerke und ein Weltrekord

Das markante Ausrufezeichen mitten im Ausgehviertel Kreis 5 ist das höchste Getreidesilo der Welt. Der fugenlose Sichtbetonturm aus dem Jahr 2016 hat die Industriearchitektur in Zürich-West in neue luftige Höhen katapultiert und erhitzt mit seiner architektonischen Schroffheit die Gemüter. Doch hinter der rohen Fassade verbirgt sich ein nachhaltiger Kern. Inzwischen freundet sich auch die Zürcher Bevölkerung mit ihrem neuen Wahrzeichen aus Beton an. Vor allem mit dem Schatten, den der Turm bei Hitzewellen spendet.

Überraschung: Nicht Grössenwahn, sondern Nachhaltigkeit und Logistiküberlegungen gaben den Ausschlag. Doch der Reihe nach: Der Swissmill Tower ergänzt die historische Stadtmühle und nutzt auch deren direkten Bahnanschluss. Viermal täglich verlässt ein voll beladener Getreidezug das Silo in Richtung Bahnhof Hardbrücke. Angesichts der Tatsache, dass das Silo 30% des nationalen Getreidebedarfs abdeckt, ergibt die zentrale Lage mit Anschluss ans Schweizer Schienennetz also durchaus Sinn. Die Südseite des Turms dient als vertikale Solaranlage. Und schon fällt der nächste Rekord: Die sechs Panels bildeten nach ihrer Fertigstellung die höchste Solarfassade Europas.
Nachdem der Stadtrat 2010 grünes Licht für den Bau des Siloturms gegeben hatte, formierte sich schnell Widerstand: Die Aussicht auf 21 Stockwerke aus Sichtbeton führte unweigerlich zu hitzigen Debatten. Für die Bewohnerinnen und Bewohner des angrenzenden Quartiers Wipkingen war der Hauptstreitpunkt jedoch nicht die neobrutalistische Architektur an sich, sondern der stundenlange Schatten, den der Turm an Sommernachmittagen auf das beliebte Flussbad Unterer Letten zu werfen drohte. Innerhalb eines Monats unterzeichneten 4000 Einwohnerinnen und Einwohner ein Referendum. Am 13. Februar 2011 sprach sich eine klare Mehrheit von 58,3 Prozent für den Siloturm aus (55'822 legten ein Ja in die Urne, 39'913 ein Nein. Die Stimmbeteiligung betrug 45,7 Prozent). Als der Turm 2016 endlich stand, titelte das «NZZ am Sonntag Magazin» in ungewohnter Brutalität: «118 Meter Hässlichkeit».

© Karin Bürki/Heartbrut

© Karin Bürki/Heartbrut

Autosilo Balestra, mehrstöckiges Parkhaus und Einkaufszentrum, Carlo Cesarini, Lugano, 1978, Tessin, Schweizer Brutalismus. Entdecken Sie mehr auf Heartbrut.com
Masonry Hall, Maurerhalle, Hermann Baur, Basel, Swiss brutalism, © Karin Bürki/Heartbrut. Explore more on Heartbrut.com
Hardau, Zurich, 1978, Brutalism, © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com
Flamatt II, Atelier 5, Wünnewil-Flamatt, Canton of Fribourg 1961. A Swiss pioneer of brutalist architecture © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com