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Roccolo, Seminar Centre, Retreat, Miller & Maranta, Castasegna, Val Bregaglia, 2004, © Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com

Roccolo

Text & Bilder: Karin Bürki

Text & Bilder: Karin Bürki

Rohe Romantik

Castasegna ist ein malerisches Grenzdorf im Bergell, einem Bergtal zwischen dem Malojapass und Chiavenna. Nur einen Steinwurf von der italienischen Grenze entfernt, steht hoch über der Hauptstrasse ein polygonaler, kieselsteinfarbener Betonturm, der dem Ort eine unerwartete Urbanität verleiht. Er befindet sich im Obstgarten der Villa Garbald, einem herrschaftlichen Landhaus von Gottfried Semper aus dem 19. Jahrhundert. Inspiriert von den lombardischen Vogeljagdtürmen, den so genannten «Roccoli», entwarfen Quintus Miller und Paola Maranta den Roccolo-Turm als zeitgenössische Neuinterpretation und Ergänzung zum Semperbau, den das Architektenduo 2004 renoviert hatten. Miller & Marantas wegweisende Fortschreibung der Bergeller Baukunst brachte dem Basler Büro internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Das fünfstöckige Gästehaus ist zweifellos ein gewagter, wenn auch ein gelungener Wurf. Zwar sind die Fenster unregelmässig angeordnet, und das Dach sieht von oben betrachtet aus wie ein gestrandetes U-Boot. Dennoch fügt sich der ambitionierte Neubau perfekt ins Dorfbild ein. Der Turm harmoniert wie selbstverständlich mit den eng gebauten Häusern, verwinkelten Gassen, ausgedehnten Kastanienwäldern und hoch aufragenden Bergen. Das liegt daran, dass der Roccolo im Wesentlichen ein lokales Produkt ist: Die Betonplatten wurden kurz nach dem Ausschalen mit Hochdruckwasserstrahlen abgespritzt, um den Kies des Flusses Mera freizulegen. Die unebene Oberfläche ist ein idealer Lebensraum für einheimische Moosarten. Während die Wände des Turms bereits die charakteristischen Farbtöne der Umgebung annehmen, werden die Fensterrahmen und Fensterläden aus Lärchenholz mit der Zeit das Grau der traditionellen Schieferdächer annehmen.
Im Jahr 1862 beauftragten Agostino Garbald, der junge Zolldirektor der Region, und seine Frau, die Dichterin Silvia Andrea, Gottfried Semper mit dem Entwurf einer Villa. Im Stil eines lombardischen Landhauses erbaut, ist sie das einzige Objekt, das der «Starchitekt» aus dem 19. Jahrhundert südlich der Alpen realisierte (obwohl Semper bekanntlich nie einen Fuss nach Castasegna setzte). In den späten 1990ern geriet die Villa immer mehr in Vergessenheit. Eine dringende Verjüngungskur war angesagt. Im Jahr 2002 gewann das Basler Architekturbüro Miller & Maranta den Wettbewerb für die Renovierung und Erweiterung des Anwesens. Unter der Obhut der Fondazione Garbald dienen die Villa und der Roccolo-Turm heute als Seminarraum und Rückzugsort für die ETH und die Universität Zürich sowie für andere Gruppen und Veranstaltungen aus Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft.
Roccolo, Seminar Centre, Retreat, Miller & Maranta, Castasegna, Val Bregaglia, 2004, © Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com

© Karin Bürki/Heartbrut

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Haus Vogelbacher, Pierre Zoelly, Stampa, Bregaglia, Graubünden. Schweizer Brutalismus, Mehr auf Heartbrut.com
Hardbruecke Bridge, Zurich, © Karin Bürki/Heartbrut. Explore more on Heartbrut.com
La Tulipe (The Tulip), Centre for Medical Research, Geneva 1975-1976,© Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com
Goetheanum, Rudolf Steiner, Dornach, 1924-1928, Swiss Brutalism, © Karin Bürki/Heartbrut. Explore more on Heartbrut.com