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La Tulipe (The Tulip), Centre for Medical Research, Geneva 1975-1976,© Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com

La Tulipe

Text & Bilder: Karin Bürki

Text & Bilder: Karin Bürki

Der Kristall, der auf die Erde fiel

Hand aufs Herz: Wann verweiltest du das letzte Mal vor einem brutalistischen Laborgebäude, rein zur Freude am Vergnügen? Eingekeilt zwischen dem Genfer Kinderspital und einem Miniwald, ahmt das medizinische Forschungszentrum eine Tulpe nach. Es könnte aber ebenso gut als ein kristalliner Organismus gedeutet werden, den eine eisige Galaxie ausgespuckt hat oder ein sowjetisches Souvenir aus dem Kalten Krieg. Aus dem massiven, fraktalen Betonstamm wachsen 12 schlanke Äste und ein filigranes Goldgitter, das einen zuckerwattig schimmernden Glaskubus umrahmt. Der Anblick der pastellenen Rosa-, Blau- und Gelbtöne, die im Dunst der sommerlichen Nachmittagssonne sanft dahinschmelzen, ist zum Niederknien schön.

Sogar der futuristische, goldene Lifteingang am Fuss des Betonstamms strahlt so gleissend hell wie die Verheissungen des wissenschaftlichen Fortschritts - könnte aber auch als ein von Ken Adam entworfenes Bond-Set durchgehen. Die Flowerbombe aus den 70er Jahren ist auch heute noch Lichtjahre entfernt von der asketischen Strenge und straighten Männlichkeit, die den Schweizer Betonarchitekturkosmos dominiert. Sie umarmt stolz und selbstbewusst ihre harten wie auch ihre weichen und zerbrechlichen Seiten. Hätten Gebäude ein Geschlecht, würde La Tulipe sagen, dass diejenigen, die aus der Rolle tanzen, mehr Spass haben. Wie man ihn auch lesen mag, dieser Rohdiamant bleibt radikal anders. In der Schweiz und anderswo.

La Tulipe stiehlt zwar den anonymen Spitalbauten um ihr herum mühelos die Schau. Allerdings ist sie gut hinter einem Parkplatz und einer hohen Hecke versteckt. Wer nicht genau hinschaut, übersieht sie glatt.
La Tulipe spiegelt die kosmopolitische Biographie seines Designers Jack Vicajee Bertoli wider. Der in Mumbai geborene Stadtplaner und Architekt begann als Assistent von Grössen wie Marcel Breuer und Eero Saarinen und arbeitete später mit Le Corbusier an der Planung von Chandigarh in Indien. Mit seinem eigenen Büro in Genf hat er Projekte in Indien, Frankreich, Italien, den USA, der Karibik und Afrika realisiert.
La Tulipe (The Tulip), Centre for Medical Research, Geneva 1975-1976,© Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com

© Karin Bürki/Heartbrut

© Karin Bürki/Heartbrut

Unteraffoltern II, Georges-Pierre Dubois, Zurich, 1967-1970, Swiss Brutalism, © Karin Bürki/Heartbrut. Explore more on Heartbrut.com
Roccolo, Seminar Centre, Retreat, Miller & Maranta, Castasegna, Val Bregaglia, 2004, © Karin Bürki/Heartbrut, Swiss Brutalism. Explore more on Heartbrut.com
Brunnmatt Schulhaus, Basel © Karin Bürki/HEARTBRUT. Explore more on Heartbrut.com
Flamatt II, Atelier 5, Wünnewil-Flamatt, Canton of Fribourg 1961. A Swiss pioneer of brutalist architecture © Karin Bürki. Explore more on Heartbrut.com